Seemühle Walenstadt, Borner AG; Steinbruch / Bergwerk Lochezen, Walenstadt und Unterterzen


Das historische Militärspital Lochezen/Walenstadt


Plötzlich überrascht uns nach einer Kurve ein weisses fahles Licht: Gespenstisch begrüsst uns Tageslicht durch ein Fenster. Wir sind beim oberen Ausgang des Seemühle-Stollenlabyrinthes und damit bei einem unterirdischen Zugang zum historischen Militärspital Lochezen/Walenstadt angelangt. Gleichzeitig bildet dieses Fenster auch die Grenze zwischen dem Bergwerk Seemühle und dem Bergwerk Lochezen:








Bild: Rückblick vom Ausgangsfenster zum recht steilen Herkunftsweg (von links im Bild herauf).




Foto: Letzter Blick ab 'Lochezen-Gebiet' zum (Grenz-)Fenster der Seemühle zurück.



Foto: Am selben Standort um 90° gedreht: Ein Blick durch das Ausgangstor nach 'übertag'.




Skurrile Anekdote

Mitunter trifft man im Bergwerksgebiet auf 'spezielle' Leute. Bei so einer Zufalls-Begegnung entlockte an diesem Ort ein einsamer Höhlengänger seinem mitgebrachten Alphorn laute tiefe Töne, um nach der Methode 'Die Trompeten von Jericho' lockeres Gestein vorgängig dem Weitergehen von der Decke herunter zu holen. Immerhin eine originelle Idee ...



Aussenansicht dieses bergbau-historisch ursprünglichen Stollen-Eingangs von Tröger/Tröger+Götzger/
Schweizerische Cementindustrie Gesellschaft
und zum historischen Militärspital:


Bild: Nachjustieren eines barometrischen Höhenmessers, da die Höhe über Meer hier genau bekannt ist. Weil das Stollensystem
unten und oben offen ist (Zweipunkt-Druckabgleich), funktionieren barometrische Höhenmesser hier auch untertag einwandfrei.





Wir befinden uns jetzt an einem besonderen historischen Ort:

Hier begann um 1863 der semi-industrielle Abbau durch Tröger (parallel begann Tröger auch über der Lochezen oben im Gebiet der Bergstation des heutigen Schrägaufzuges abzubauen). Es wurden die ersten längeren Stollen und zugehörigen Abbaugebiete in den Berg getrieben.

Eine weitere Bedeutung hat dieser Platz durch das ehemalige Militärspital im 2. Weltkrieg erhalten. Die legendären Relikte dieses Militärspitals werden auf den folgenden Seiten dokumentiert und weiter hinten unter 'Geschichte' in einem Spital-Plan vorgestellt. Dieser Platz - im 2. WK Anliefer- und Wendeplatz für Militärfahrzeuge und Pferdefuhrwerke - kann/konnte auch übertag auf dem Bruchweg von Walenstadt aus erreicht werden, mit Fahrzeugen mühsam und seit 2014 für diese gesperrt, da der Fahrweg an einigen Stellen abrutscht. Während des 2. Weltkrieges führten von der Lochezen her zusätzlich eine Militär-Luftseilbahn (MLS) und vorher (sicher ab 1920, evtl. ab 1898) eine Seilwinden-Standseilbahn, 1941 umgenutzt zum Bau des Militärspitals und der Militär-Luftseilbahn, hier herauf.



Kurzer Zwischenhalt:

Bevor wir durch das unterirdische historische Militärspital weiter gehen, schauen wir uns in seinem Vorhof noch etwas um:



Der recht steile (Übertag-)Bruchweg erreicht hier - wie bereits erwähnt - das ebene Aussen-Podest des Einganges zum Militärspital. Hier findet man ein rätselhaftes, oft falsch gedeutetes Seilwinden-Getriebe:


Bild: Das rätselhafte Windengetriebe. Es stammt nicht von der Militärluftseibahn.



Dieses Windengetriebe ist Bestandteil einer historischen Winden-Standseilbahn:



Bild: Windengetriebe, sowie Zugseil-Führung im letzten Betriebsstadium
Foto: Walter Mittelholzer; 1920er-Jahre

Bild: Noch vorhandene Umlenkrolle;
Foto: Valentin Schoch

Bild: Winden-Schleppbahn

Die Windengetriebe-Standseilbahn hatte folgende Aufgabe:

Bei der grossen Aufrüstung um 1920 (Ersatz des Steinbrechers I von 1900 durch den Chalet-Steinbrecher II, Bau des Aussen-Silo mit Staumauern, Aufbau dreier noch heute existierender Brücken oberhalb des Chaletsteinbrechers II usw.) existierte kein Aufzug ins Bruchgebiet. Die Pendelbahn (Bremsberg) war seit 1913 ja ausser Betrieb [Aufgabe dieses Bergwerksbereiches] und zerfallen. Nun musste aber schweres Material (Steinbrecher, Lokomotiven, Wagen, Brückenteile) nach oben geschafft werden. Dazu wurde diese Winden-Standseilbahn in einer alten Marmor-Schütthalde aufgebaut. Die Winden-Standseilbahn überlebte bis ca 1950.

Das Windengetriebe steht schräg (Richtung NNE) in seinem Fundament. Befestigungsschrauben in ursprünglicher Fundament-Richtung (N) sind aber leicht auszumachen. Vermutung: Das Getriebe dürfte also schon 1898 bei der ersten industriellen Aufrüstung um 1898, aber via 'Schütthalden-Spur' eingesetzt worden sein.

Mit dem Getriebe wurde - wie oben bildlich gezeigt - Material auf das Podest vor dem damals noch nicht in die alten Stollen eingebauten Militärspital über eine ehemalige Schütthalde hochgezogen und dies auf einem 60 cm-Spurweite-Geleise (Lochezen-Hauptstollenbahn-Standard), das von einem Zeitzeugen noch Ende der 1940er-Jahre gesehen wurde ('Schienen auf karbolisierten Baumstämmen'). Die dazu notwendige Seilumlenk-Vorrichtung findet man heute noch oben im Wald (Dokumentation im folgenden Exkurs). Auf dem Podest erfolgte dann eine Uebergabe der geschleppten Last an eine 2. Bahnsektion. Weitere Teile (Getriebe und Seilumlenkrollen) liegen noch heute im und beim Lokdepot oben. Die beiden folgenden Fotos zeigen den gesamten Verlauf der 3-teiligen Schleppstrecke:











Zum Bild nebenan (Aufnahme 1920-er Jahre):

Das Winden-Getriebe und die zugehörige Schlepp-Standseilbahn (nicht der zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr existierende Bremsberg) wurde von der CKU dem Militär zum Aufbau des Militärspitals in der Anfangsphase (vor der Inbetriebnahme der Militär-Luftseilbahn) zur Verfügung gestellt.


Vermutung: Die 'Leitmauer Schütthalde' stammt noch von vor 1900, also aus der Zeit vor dem Bremsberg (Pendelbahn), als die gebrochenen Steine einfach den Abhang hinunter geschüttet wurden.



Letzte noch erkennbare Zeitzeugen der Winden-Schleppbahn:
'Verirrte' Geleiseprofile der 2. Sektion am Vorplatz des Militärspitals:








Exkurs

Die im Wald oberhalb noch erhaltene Umlenkrolle der Winden-Schleppbahn




Seilführung ab Windengetriebe und Dachstock des Militärspitals




Das Vorschaubild links zeigt ein 'Dachfenster' über dem Militärspital und Seile
im Zusammenhang mit der Umlenkrolle der Windengetriebe-Schlepp-Bahn.

(Von Valentin Schoch)




Auf folgendem Luftbild (1942) markieren die roten Pfeile die geradlinige Waldschneise der Militär-Luftseilbahn. Diese verläuft 'parallel' neben der viel älteren Winden-Getriebe-Standseilbahn (punktierte Linie):


Luftaufnahme von 1942; (c) swisstopo


Nebenbei: Das vorangehende Luftbild von 1942 lässt einige 'historische' Schneisen gut erkennen, die weit oben beginnen, wo offensichtlich bereits früher auch übertag abgebaut wurde (Kalk- und Marmorbrüche). Die erste Abwurf-Schneise östlich (rechts) der Militärseilbahn führte vom obersten Ausgangsstollen (Tunnel 'West') der Seemühle knapp unter dem Bruchweg das abgeworfene Gestein zum Seemühle-Übertag-Bähnchen über dem Lochezensträsschen (Westbahn). Dieses Bähnchen ist auf dem Luftbild als horizontale Schneise auszumachen. Es brachte dann das Schüttgut oben an die Seemühle-Brennerei.



Von der erwähnten Militär-Luftseilbahn (MLS) findet man am Weg knapp vor Erreichen des ebenen Podestes gerade unterhalb des Strässchens noch vier Mastfundament-Teile, zwei davon sind auf folgendem Bild links zu erkennen. Das Bild rechts (Tiefe erscheint 'gestaucht' wegen Teleoptik) zeigt weitere Mastfundamentteile in Richtung Lochezen:




Reste der Bergstation dieser MLS sind wenige Meter über dem Strässchen zu sehen. Auf diesem Beton-Podest war die 'Seilbahn-Technik' installiert:




Vier weitere Mastsockel dieser MLS findet man unten über dem Lochezensträsschen:





Bevor man vom Podest zum weiteren Aufstieg via Militärspital wieder in den Berg zurück geht, heisst es erneut 'Helm auf' :-) :






Weiter



[Zurück zur Eingangsseite]