Der historische Chappeliweg / Treppenweg Weesen - Amden

Geschichte und heutige Begehung
Die Namen 'Chappeliweg' und 'Treppenweg' gehen auf eine nicht mehr existierende Wegkapelle (Chappeli) bei Punkt 610 (C) (siehe folgenden Kartenausschnitt) und auf einige hundert Treppenstufen auf diesem historischen Zugangsweg-System nach Amden zurück. Beim Chappeli hatte man bis dato denn auch die besonders kritische Stelle um den Chappeli-Felsen hinter sich gebracht. Der Chappeliweg wurde 1882 durch einen Strassen-Neubau abgelöst und das Chappeli geriet anschliessend allmählich in eine Phase des Zerfalls.
Etwa seit dem Jahr 2000 wurden wertvolle noch historische Wegteile bergwärts von (C) sorgfältig restauriert, unterhalten und als Wanderwege ausgeschildert. Das kurze Bogenstück talwärts/ westwärts von (C) - also die berühmte Chappelifels-Umrundung - wird noch ausführlich thematisiert, kann heute noch begangen werden (siehe weiter unten), gehört aber heute nicht zum offiziellen Wanderweg-System.
Rot markiert: Wege mit noch signifikanter historischer Substanz und als exklusives Wanderweg-System restauriert (ausgenommen Chappelifels-Bogen);
Bild-Grundlage: https://ivs.admin.ch/
Die in obiger Karte markierten Grossbuchstaben (A) bis (E) dienen in folgender Dokumentation der Orientierung.
Heute noch gut begehbar: Der dem Chappeliweg entsprechende Weg von (A) bis (B) mit in diesem Bereich allerdings wenig historischer Substanz. Von (B) bis zum Galerie-Ende westlich von (C) ist der Chappeliweg weitgehend durch die neue Strasse (1882, ab ~1978 sogar Galerien) überformt. Die beiden Galerien sind aber gut begehbar auf einem Gehsteig auf Galeriefenster-Seite. Bei (C) haben wir den legendären Chappeliplatz erreicht und ab hier aufwärts beginnt der touristisch exklusive Teil des Wegsystems.
Zunächst zur Geschichte:
Der Chappeliweg existierte im heute bekannten Aufbau seit ganz ungefähr 1560. Er dürfte aber Vorgänger gehabt haben. Auf folgendem Foto von gegen 1890 ist der Chappeliweg unterhalb der 1882 eröffneten Strasse [(A) bis (B)] deutlich zu sehen [Aufnahme ab Chappelifels-Plateau]. Das Geröll vom Strassenbau blieb teils im Weg hängen. Die heute teilweise gekappte Bubenberg-Felsspitze talseits der Strasse kann immer noch durch Galeriefenster erkannt werden.
Aus der Betriebszeit des Chappeliweges (bis ~1881) liegen naturgemäss keine Foto-Ansichten vor. Umsomehr interessieren somit entsprechende Darstellungen von Künstlern. Einen historischen Einblick auf diesen Wegabschnitt (B) bis (C) vermitteln folgende Bilder:
Hinter der erwähnten Bubenberg-Felsspitze führte der Weg - wie in vorangehendem Bild schon ersichtlich - etwas nach unten zur Chappeli-Treppe:
Zeichner: Mathias Gabriel Lory ~1830, Kupferstecher: Johann Hürlimann; [Staatsarchiv St. Gallen].
Zu obigem Bild: Das Treppenteilstück um den Chappeli-Felsen im Hintergrund ist heute noch weitgehend vorhanden und auf eigenes Risiko mit Trittsicherheit und Schwindelfreiheit von oben her begehbar (Einzelheiten dazu weiter unten), aber nicht Teil des offiziellen Wanderweges.
Zweimal das selbe Motiv (Bubenberg-Felsdurchgang wie vorangehend):
Bilder: Lithographie: Alexandre-Jules Monthelier und Jean-Louis Tripenne; Foto: Durchgang durch Sprengungen verbreitert und mit neuer Strasse.
Ein Bild nach Passage des Bubenberg-Felsdurchgangs zwischen diesem und der Treppe zur Chappeli-Holzbücke, also ein Blick zurück:
Bild: Chappeliweg in Wegrichtung Weesen; Karl Girardet.Beim Stein talseitig neben dem Maultierführer könnte es sich um denselben handeln, der im folgenden Bild rechts unten zu sehen ist.
Wir drehen uns nun am Standort von Karl Girardet wieder in Richtung vorwärts und sehen die Treppenstufen zur Chappelifels-Umrundung hinauf:
Bild: Unikat nach Balz Stäger (1861–1937, Glarner Landschaftsmaler).
Das legendäre Chappeli
Am Ausgang der zweiten Galerie gelangen wir bei (C) auf eine kleine Terrasse (heute Auto-Parkplatz) und treffen wieder auf den historischen Chappeliweg. Auf dieser kleinen Terrasse stand das dem Weg seinen Namen gebende Chappeli. Dieses kam beim Strassenbau von ausserhalb der Kurve der neuen Strasse nach dem Felsdurchbruch (1881) teilweise in den Sichtbereich vom Bubenberg aus gesehen, von wo aus der folgende Holzstich aufgenommen wurde. Dieser Holzstich (Ausschnitt) von 1884 (also nur 2 Jahre nach Felsdurchbruch und Strassen-Eröffnung) ist eine ganz seltene (oder die einzige?) bildliche Darstellung des Chappelis:
Holzstich (1884, 2 Jahre nach Strassen-Eröffnung) von Johannes Weber (* 1846 in Netstal/Kanton Glarus; + 1912). J. Weber war Zeichner, Maler, Holzstecher, machte in Zürich eine Lehre als Holzstecher bei Orell Füssli & Cie., wo er später die Leitung des xylographischen Ateliers übernahm.
Dieser Holzstich lässt immerhin ein Satteldach des Chappelis und seinen Standort erkennen (Landeskarte-Koordinaten : 727960, 222401; siehe Albert Gmür bei https://search.ortsnamen.ch/de/record/4015339 ). Der historische Standort des Chappelis ist also nicht oben auf dem Chappelifelsen zu suchen.

Zum Bild links: Auf historischen Fotos erscheint mitunter eine 'mysteriöse Telefonstange' auf dem Chappelifelsen beim erwähnten Felsdurchbruch für die neue Strasse. Uebrig von der Stange blieb bis heute ein kleines Betonfundament (Abspannung) oben auf dem Chappelifelsen bei den heutigen Bänken. Dieses Fundament ist ein Überbleibsel des historischen Aufbaues für das Nivellement-Fixnetz [NDP, Erstellung 1864 - 1891] für die Landeskarten. Das Foto zeigt also keine Telefon- oder Elektrizitäts-Stange. Zeitfenster Foto: 1882 (Strassen-Eröffnung) bis 1902 (Poststempel Ansichtskarte).
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Da kein Originalbild des Chappelis verfügbar ist, soll hier ein möglichst ähnliches Bild das Amdener Chappeli veranschaulichen:

Bild: Das Bruust-Chappeli am Jakobsweg über die Haggenegg.
Das Bruust-Chappeli als passendes Beispiel eines Chappelis, das einen 'gedeckten, gemauerten' Bildstock und Ruhesitzplätze aufweist. Die in nebenstehenden Quellen unterstrichenen Attribute sind auch beim Bruust-Chappeli zutreffend.
Nebenbei: Auch beim Bruust-Chappeli hat man den 'happigsten Teil' des Aufstiegs (hier von Alpthal/Malosen zur Haggenegg) hinter sich gebracht. Bruust stammt von Feuersbrunst einer historischen Brandrodungsstelle [ortsnamen.ch].
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Einige Quellen und Attribute:
1834
TAGEBUCHEINTRAG im Jahr 1834. [St. Galler Zeitung, 12. Feb. 1834]: . . . hatte ich die Hälfte des steilen Felsenweges zurückgelegt und ruhte oben bei der romantischen Kapelle auf einer Steinbank aus . . .
1893
Der BAEDEKER-Reiseführer von 1893 erwähnt die schöne Aussicht bei einem verfallenen Kapellchen rechts der [11 Jahre zuvor eröffneten] Strasse, 3/4 St. von Weesen. [IVS Dokumentation VERKEHRSWEGE Kanton St. Gallen]
1932
Anmerkung: Der Ausdruck Kapelle hat ein breites Anwendungs-Spektrum. Auch ein (grösserer) Bildstock kann damit gemeint sein:
ALBERT GMÜR [*1875; +1936] schreibt in seinem Buch Die Orts- und Flur-Namen der Gemeinde Amden [1932]: Das Chappeli war nur ein gemauerter, gedeckter Bildstock, der seinem Zwecke seit der Erbauung der neuen Strasse entfremdet, je länger je mehr von Gestrüpp umschlungen und zur Ruine zerfallen ist.
1961
PAUL HUGGER (1961: 117f): Zuletzt führte der Weg in schwindelnder Höhe um den Vorsprung herum, den die Leute 'Chappeli' nennen. Denn droben auf der kleinen, ebenen Fläche stand eine gemauerte Rasthütte, wo die Träger ihre Last abstellen und verschnaufen konnten, ohne den Winden[*] ausgesetzt zu sein. An der Rückwand hing ein Kruzifix. [IVS Dokumentation VERKEHRSWEGE Kanton St. Gallen]
[*] Nach dem Strassen-Felsdurchbruch 1881 war es damit natürlich vorbei. |
Der exponierte Weg aussen um den Chappeli-Felsen herum
Der Chappeliweg musste aber - im Gegensatz zur neuen Strasse mit Felsdurchbruch - seeseitig aussen und etwas tiefer um den Chappeli-Felskopf herum geführt werden:
Auf
eigenes Risiko, trittsicher und schwindelfrei kann diese Umrundung bis zum Brückenkopf noch heute von oben her begangen werden:

Das mit Bruchsteinen gemauerte Ende war ein 'Brückenkopf' einer Holzsteg-Konstruktion:

Ansicht etwas weiter wegaufwärts:

Der nun folgende Treppenbereich:

Das obere Ende (rotes Bänklein) in Sicht:

Der bereits erwähnte Holzsteg (nach Bauart Twärrenbrücke) links oben im folgenden Bild:
Aus: 'Malerischer Walensee' von Peter Fricker; Künstler: Kaspar Burkhardt um 1840
Der vorangehend gezeigte Holzsteg in einem vergrösserten Ausschnitt:

Ein Konstruktions-Beispiel dazu:

Bildquelle: Rekonstruierter Steg auf der andern Seite des Walensees (Heerweg).
IVS; ama, 14. 6. 2003; INVENTAR HISTORISCHER VERKEHRSWEGE Kt. Glarus
Die Chappelifels-Umrundung und die westlich anschliessende Felspassage waren extreme Herausforderungen beim Bau:

Bild: rot markiert wohl aller letzte Spuren der legendären Felsentreppe.
Diese gesamthaft exponierte Passage dürfte die Errichtung eines 'Chappelis' veranlasst haben:
(Vgl. Antonius-Kapelle an der Teufelsbrücke in der Schöllenen.)

Zur möglichen Begehung auf eigenes Risiko (nicht Teil des offiziellen Wanderweges):
Vom 'Chappeli-Parkplatz' aus (mit dem Bus fährt man bis Lehni und läuft etwa 500 m zurück) gibt es wie erwähnt noch Zugang von oben her um den Chappeli-Felsen herum bis ans bereits gezeigte Ende der Stützmauer (Brückenkopf) unterhalb des heutigen Galerie-Endes.
Auf dem Weg von diesem oberen Eingang zum Brückenkopf hinunter:

Das Wegstück der Felsumrundung führt auf einem etwa 20 m langen, teilweise aus der Felswand
geschlagenen Trassee, um den
Felskopf herum. Mitunter sind noch Treppenstufen zu sehen.
Kurz vor dem Brückenkopf findet man am Felsen eine Inschrift:
'ALTER FUSSWEG BIS 1882 NACH AMDEN':

Ein historisches Detail-Foto von 1909 der Chappelifelsumrundung 27 Jahre nach Aufgabe dieses Weges:
[Fotobestand Christian Ferdinand und Hans Leonhard Meisser; Staatsarchiv Graubünden.]
Und heute:
Das offizielle beschilderte Chappeli-Wanderweg-System
Ab dem 'Chappeli-Parkplatz' können heute der historische Chappeliweg und ein neuerer Treppenweg (beide schön restauriert) begangen werden
(mit dem Bus fährt man bis
Lehni und läuft etwa 500 m zurück)
Die restaurierten Teile beginnen gleich beim Chappeli-Platz oberhalb der Fahrstrasse:

Nach kurzer Zeit treffen wir auf einen Wegweiser, der unsere Aufmerksamkeit und eine Entscheidung verlangt, denn: Auf Grund seiner Anzeige ('historischer Treppenweg') geht der Wanderer hier in der Regel einfach geradeaus weiter, wohl in der Meinung, sich immer noch auf dem wirklichen Historischen Chappeliweg zu befinden:
Bild: Wer hier aber genau hinsieht, stellt fest, dass sich die Treppenstruktur beim Wegweiser ändert. Das ist eines
mehrerer Indizien, dass es sich hier nicht um eine bauzeitlich nahtlose Fortsetzung des Chappeliweges handelt.
Dieser sibyllinische Wegweiser
Gemäss Wegweiser verzweigt sich der Weg nach Amden in die beiden Richtungen (D) und (E), die 'unscheinbarere' (E) ist sogar als 5 Minuten kürzer angegeben:
Ja, was nun?
Auf dem Wegweiser kommt das Wort 'historisch' nur einmal vor, nämlich in Richtung (D), bezeichnet mit 'historischer Treppenweg'. So entsteht der Eindruck, dass der historische Chappeliweg dort weiter führe. Der wirklich historische Chappeli-Weg führt aber in Richtung (E). Somit müsste auf der Tafel (E) eigentlich auch ein Zusatz 'historisch' stehen, also 'historischer Chappeliweg'.
Dieser Wegweiser bevorzugt die spektakuläre, bergbautechnisch schwierige, sehr eindrückliche und wohl vom 'normalen' Wanderer gesuchte, wenn auch weniger historische Route und berücksichtigt erst in zweiter Linie die Fraktion der 'historischen Hardliner'. Das wissen die Verantwortlichen natürlich auch, aber sie wollen wohl den Wanderer nicht verwirren und einen eindrücklichen Ersatz für weiter unten verloren gegangene Felspassagen anbieten.
Der Hardliner verpasst bei seinem Gang via (E) zwar eine spektakuläre Felsband-Passage, weiss sich aber auf dem 'echten' historischen Chappeli-Weg und wird dazu mit einem Gedenkstein mit der eindrücklichen Jahreszahl 1669 am Wegrand belohnt. Und auch auf - allerdings weniger steile und kürzere - Treppen-Bereiche muss er nicht verzichten. Auch diese Route ist sehr lohnend.
Warum es hier zwei Varianten gibt, wird weiter unten thematisiert.
Es lohnt sich jedenfalls, beide Wege zu begehen, etwa in Form einer Rundtour.
Im Folgenden werden beide Richtungen vorgestellt:
1. Der 'Hardliner-Weg' nach rechts, Richtung (E)
Dies ist also der ursprüngliche, historische und eigentliche Chappeliweg nach Amden. Dass dem so ist merkt man selber schnell, wenn man beide Varianten begeht und vergleicht. Der Chappeliweg war ja ein Saumweg und nicht ein durchwegs steiler Personen-Bergweg (wie die andere Richtung (D)):

Die Schattenzone im folgenden Bild dürfte der Bereich des im Folgenden erwähnten tragischen Unfalls sein:

Kurz nach der 'Schattenzone' treffen wir bergseits auf einen Gedenkstein mit der Inschrift
DIFP 1669:

Bild:
Gedenkstein für Pfarrer Johannes Frischherz, der ungefähr an dieser Stelle am 21.7.1669 tödlich verunfallte.

Bild: Der Gedenkstein nach der Restaurierung vermutlich ca 25 m oberhalb des Unfallortes in einer natürlichen Nische. Die Jahreszahl 1669 ist unter dem Querbalken des Kreuzes sichtbar. |
 Bild: Gedenktafel
Dieser Unfall an sich ist belegt, der Gedenkstein in diesem Zusammenhang streng historisch-wissenschaftlich zwar nicht, jedoch hat die gängige mündliche Überlieferung einen hohen Wahrscheinlichkeitswert, auch auf Grund der Inschrift DIFP:
Was bedeutet die Gedenkstein-Inschrift DIFP ?
Es sei im Folgenden eine Hypothese [Paul Gantner] aufgestellt:
Vorgaben:
- Die Kirchen-Sprache ist Latein
- J gab es im Lateinischen nicht, nur I.
Beispiel: INRI: Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum – Jesus von Nazaret, König der Juden.
- Offensichtliche Verben konnten im Lateinischen ausgelassen werden: Beispiel: PAX VOBISCUM: Friede (sei) mit euch.
Dem entsprechend kann DIFP stehen für:
Deus Ioanni Frischherz Pacem
Gott (schenke) Johannes Frischherz Frieden
Die Deutung der Buchstaben I, H, A und O dürfte kaum mehr möglich sein. Spekulativ kann man sie als Initialen von dem Pfarrer nahestehenden Menschen bzw. Initiatoren für den Gedenkstein betrachten.
An Stelle des 'Pferdes' (auf der Gedenk-Tafel) handelt es sich eher um einen für solche Wege besser geeigneten Esel oder ein Maultier (siehe im Nachwort am Schluss).
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Die Unfallstelle dürfte beim alten Gedenkstein-Standort des linken folgenden Fotos sein (ca 25 m unterhalb der heutigen Gedenkstätte). Dort ist eine recht steile Passage durch steil abfallendes Gelände. Folgende beiden Fotos zeigen den selben Ausschnitt vor und nach der Weg-Restauration um 2000. Gleiche Strukturen auf beiden Fotos sind viele zu erkennen, etwa die gesamte Formation über den Bildmitten. Die Treppe kam bei der Restaurierung zum Vorschein:

Foto: Aufnahmedatum unbekannt, sicher vor 1978; Ivo Kalberer [Dorfchronik]. |

Foto: 2023 mit praktisch gleichem Ausschnitt [Gedenkstein neu etwas weiter oben]. |
Der Treppenweg nähert sich nach der Gedenkstätte dem Ende des Felsbandes und führt um dieses herum:

An dieser Stelle hat man in der
Laubfreien Zeit einen eindrücklichen Ausblick auf den Walensee und in die Linth-Ebene:

Die Gedenkstätte und die weiter oben liegende 'Aussichts-Kurve' im Winter:

Der Chappeliweg verlässt den Wald und führt über Grappen nach Ebnet/Forten (- Rindlis - Amden [Dorfkern]):

Weiter oben: Die noch erhaltene S-Kurve des 'echten' historischen Chappeliweges im Gebiet Grappen/Ebnet:
2. Der spektakuläre Weg geradeaus, Richtung (D)
Dies ist wohl ein 'weniger historischer' Treppen-Weg via eine Fels-Passage zum Port-Rank der Kantonsstrasse hinauf. Er dürfte im Zusammenhang mit dem Strassenbau (1882) als Abkürzung errichtet worden sein und wäre somit weit über 200 Jahre jünger als die andere Variante E.
Wir gehen diesmal im Gegensatz zum 'Hardliner-Weg' von vorher (also beim 'sibyllinischen Wegweiser' im folgenden Bild am Waldeingang sichtbar) geradeaus weiter:
Wahrscheinlichste Hypothese für diese wohl 'weniger historische' Westvariante:
Mit der Eröffnung der neuen Kantonsstrasse wurden Gütertransporte auf dem historischen Chappeliweg hinfällig. Auch der Fussgänger-Verkehr dürfte sich gesamthaft auf die neue Strasse verlagert haben, da er so weniger beschwerlich wurde. Vom Chappeli bis zum neu entstandenen Port-Rank war nun aber eine für 'eilige' Fussgänger zu lange Serpentine via Lehni-Rank entstanden. Diese Serpentine wurde in der Folge durch den Bau dieser neuen Variante West als 'weniger historischer' Treppenweg überbrückt bzw. abgekürzt. Aus diesem Blickwinkel bekommt diese Westvariante des Treppenweges erst einen verkehrstechnisch plausiblen Sinn. Dafür sprechen auch die geringere Weg-Breite und der vor allem für Lasttiere zu steile Verlauf dieser Variante.
Bild: Der ursprüngliche Chappeliweg/Treppenweg (rot) und der neuere Strassen/Treppen-Weg (blau); Kartengrundlage: swisstopo.
Mit viel historischer Substanz sind die mit roter Doppellinie bezeichneten Wege rechts im Bild.
Es folgt nach der Felspassage ein recht steiler Treppen-Abschnitt und wir erreichen eine Spitzkehre-Kurve (Port-Rank) der Kantonsstrasse.
Der Treppenweg setzt sich beim Portrank fort - aber nicht mehr 'historisch' - und verschwindet wieder im Wald in Richtung Bellevue/Büel:
Für historische 'Hardliner'

Der wirklich historische Chappeliweg (E) führte über Grappen nach Amden und wurde über weite Strecken auch als Treppenweg gebaut. Aber der auf der Info-Tafel erwähnte Treppenweg Chappeli-Port ist eigentlich nicht Bestandteil des historischen Chappeliweges, wie weiter oben bereits begründet wurde.
Der Treppenweg Chappeli-Port (siehe Info-Tafel) hat demnach nicht 1882 seine Bedeutung verloren (wie der 'echte' historische Chappeliweg via Grappen), sondern wurde dannzumal erst eröffnet als (Fussgänger-)Abkürzung der neuen Lehni-Serpentine der Kantonsstrasse. Seine Bedeutung hat er dann erst mit der aufkommenden Motorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg verloren und gewinnt sie heute - dank sorgfältiger Pflege - wieder als Wanderweg-Perle (und Zugang zu den Kletter-Wänden).
Trotzdem kann man die Angabe der Tafel gelten lassen, da sie den grundlegenden historischen und bautechnischen Rahmen der ganzen Weg-Geschichte sinngemäss richtig aufzeigt und textlich als Info-Tafel natürlich kurz und übersichtlich sein muss, sonst würde sie kaum gelesen.
Auch die wohl beste historische Detailkarte für das Gebiet Weesen-Amden noch vor dem Strassenbau 1882, die Eschmannkarte von 1851, zeigt noch keinen Richtung (D) führenden Weg ('historischer Treppenweg Chappeli - Port') nördlich des eigentlichen Chappeliweges (auch dies ein Indiz, kein Beweis):
Eschmannkarte 1851 [https://www.oldmapsonline.org/] und Landeskarte swisstopo.
Gestern und heute . . .
Auf folgendem Foto sind wohl letzte Relikte des Chappeliweg-Anschlusses an die Chappeli-Felsumrundung zu sehen, die dem massiven Steinbrocken-Hagel bei den Sprengungen anlässlich der beiden Strassenbau-Projekte (~1881 und ~1974) standgehalten haben.
Unterhalb des Endes der Galerie 2 beim Chappelifelsen: Linienführung des Chappeliweges zwischen Bubenberg und Chappelifels-Umrundung.
Anhang / Varia:
- Zur Fahrstrasse von 1882:
Die Gemeinde Amden hatte sich lange gegen deren Bau gesträubt. Unter anderem befürchtete man eine Beeinträchtigung der Moral der Dörfler [Anm.: Stadt-Einfluss].
[Quelle: https://www.ivs.admin.ch]
. . . da gab es offenbar noch eine öffentliche Moral [Hut ab vor diesen Leuten!].
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Die Lasttiere auf den historischen Bildern sind nicht eindeutig identifizierbar. Vermutlich sind es für solche anspruchsvollen Bedingungen besonders geeignete Esel oder Maultiere, Pferde eher nicht.
Dazu folgende historische Zeitungsmeldungen [ https://www.e-newspaperarchives.ch/ ]:
NZZ Nr. 133 vom 12. Mai 1880, Ausg. 2:
Nidwaldner Volksblatt Nr. 19 vom 11. Mai 1867:
Berner Volksfreund Nr. 247 vom 17. Okt. 1880:
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Das waren noch Zeiten: Weitere Zeitungs-Juwelen zum Chappeliweg [e-newspaperarchives.ch]:
Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz, 19. Juni 1864:

In der Ammler Zitig Nr. 7 vom Juli 2014 [Nr. 191] ist dazu ein interessanter Beitrag von Rita Rüdisüli zu finden:
Schleipfianer und Rollerianer oder der Glockentransport
(hier mit leichten Kürzungen und Anpassungen)
Albert Gmür ruft in seiner Ammler Chronik (1932?) den Glocken-Transport von Weesen nach Amden vom Jahre 1864 in Erinnerung.
Auf Samstag, den 12. Juni, hatte die Firma Grassmeier in Feldkirch der Kirchgemeinde Amden vier umgegossene Glocken zum Bahnhof Weesen zu liefern. Den Transport von da nach Amden übernahm die Gemeinde selbst. Für die drei kleinen Glocken machte er ihr keine Sorgen, aber für die grosse, immerhin wog sie 30 Zentner (1500 kg). Nur der schmale Chappeli-Treppenweg vermittelte den Verkehr zwischen Amden und Weesen. So war
nicht nur der Verlust der Glocke sondern auch von Menschen zu befürchten.
Nach langen Beratungen beschloss man, zum Transport der grossen Glocke einen besonders starken Schleipfschlitten machen zu lassen. Schlittenmacher Josef Thoma im Unterbach erhielt den Auftrag. Er beizte die Schlittensohlen noch recht tüchtig mit gesottenem Oel ein. Dadurch sollte der Schlitten auf den Steinen und Brettern, die man unterzulegen gedachte, leichter gleiten. Gemeinderat Jakob Thoma, Schmied in Unterbach, verstärkte den Schlitten mit eisernen Bändern und Beschlägen. So entstand ein wahres Unikum. Das sorgte für Gesprächsstoff und lockte halb Amden zur Besichtigung und Kritik herbei. Die einen meinten, er sei zu schwer und es sei schade um das verworfene Geld. Andere befanden ihn als zu leicht. Ortspräsident Gallus Gmür von der Aechern war der Ansicht, dass es diesen Schlitten ohnehin nicht brauche, denn Akkordant Schäfer aus Kaltbrunn habe bei der «Traube» im Flih, dort wo die Steigung beginne, einen Rollwagen und Schienen liegen. Diese stelle er der Gemeinde für den Glockentransport gratis zur Verfügung. Die «Schleipfianer» könnten mit ihrem Vehikel getrost nach St. Gallen ins Museum! Diese hielten folglich mit ihrem Spott über den Rollwagen auch nicht zurück. Die «Rollerianer» können mitsamt ihrem Präsidenten nach Pfäfers, konterten sie. Schlitten oder Rollwagen?
Um diesen Meinungswirrwarr zu lösen, fand eine gemeinsame Sitzung des Kirchen- und Ortsverwaltungsrates statt. Dabei wurde ein gutbürgerlicher Kompromiss geschlossen. Zur Heraufschaffung der grossen Glocke solle nicht bloss der Schleipfschlitten, sondern auch der Rollwagen eingesetzt werden. Und zwar dürfe der Schleipfschlitten von Amden nicht weiter als bis zur untersten Felswand hinunter kommen. Die grosse Glocke solle vom Flih bis zur ersten Felswand auf dem Rollwagen herauf transportiert werden. Die Frage, ob der mit der Heraufschaffung der Glocken beschäftigten Mannschaft vorher, unterwegs oder nachher ein Trunk verabreicht werden solle, wurde aus bekannten Gründen verneint.
Also begab sich die aus fast 100 Männern bestehende Zugmannschaft in die Frühmesse und darauf ins Flih. Um elf Uhr wurde der Transport im Rindlis erwartet. Aber die grosse Glocke wollte nicht kommen. Stunde um Stunde verging. Schon der Rollwagen-Transport war immer wieder von den Schienen geglitten. Nicht besser ging es anfänglich mit dem Schlittentransport. Wohl ein Dutzend längere und kürzere Seile waren am Schlitten befestigt, so dass gleichzeitig 30 Mann daran ziehen konnten. Aber die Führung des Schlittens zwischen den Hörnern war durch die Seile fast verunmöglicht. Der Schlitten hielt die Last aus, aber die zur Schonung unterlegten «zölligen» (3cm dicken) Bretter brachen wie Zündhölzer. Beim Chappeli war das Schwierigste geschafft. Bachnass und hungrig wie Wölfe warteten die Männer nun auf die Verpflegung, die die Knaben vom Berg herunter brachten. Auch Wein musste wieder her. Wieder? Trotz des Trinkverbotes waren schon im Flih und auf dem Weg vom dortigen Traubenwirt auf Rechnung der Kirchenkasse 60 Liter Wein ausgeschenkt worden. Nachher wollte ihn allerdings niemand bestellt haben und bezahlen… Aber Ammann Büsser wusste einen guten Tropfen stets zu schätzen und mochte auch den Nebenmenschen etwas gönnen. Der Grappenstich war dann ein Kinderspiel im Vergleich mit dem im «Berg». Des langen Wartens müde war die Jugend der Glocke bis zum Chappeli entgegengekommen.
Im Rindlis machte man noch einmal eine grosse Pause. Die einzigartige Prozession wurde mit Kreuz und Fahne angeführt, es folgten die Oberschüler mit der kleinen Josefs-Glocke. Dann folgte die Agatha-Glocke.
Bescheiden wirkte der von den Jünglingen betreute Zug der Jakobs-Glocke. Erst nach der Geistlichkeit und den Sängerinnen folgte die grosse Marien-Glocke. Derweil ruhte die Gallus-Glocke, weil sie nicht
umgegossen worden war, wartend auf dem Boden der Glockenstube. Da die Glockenweihe schon in Feldkirch vorgenommen worden war, versammelte man sich in der Kirche und sang feierlich das "Grosser Gott, wir loben
dich".
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St. Galler Volksblatt, 6. Juni 1868:

Damit man sich unter 'Sesselträger' eine Vorstellung machen kann (man beachte auch die Tragriemen über die Schultern):
St. Galler Zeitung, 12. Feb. 1834:
- Naturgemäss nur angenähert skizzierter 'Lebenslauf' des Bubenbergs (nicht identische Perspektiven, 2 Fotos und 1 Kunst-Lithographie):
Foto ~1900: Der gelbe Kreis markiert den engen historischen Bubenberg-Durchgang.
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Der erwähnte Holzstich als vielleicht einziges öffentliches Bild des Chappelis:
Bild: Holzstich (Ausschnitt) von Johannes Weber (1884); Orell Füssli & Co. 1885. Markiert: Überreste des beim Strassenbau beschädigten Chappeliweges.
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